Rundfunkgebühren und deren Verwendung in Europa Pressemitteilung vom 02.08.2002 Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH hat im April 2002 die Erarbeitung einer vergleichenden Studie unter dem Titel "The use of funds collected for Public Service Broadcasting" in Auftrag gegeben. Der Rechercheauftrag betraf die vergleichende Erhebung von Herkunft und Verwendung jener finanziellen Ressourcen, die in den Staaten der Europäischen Union und der EFTA - zumeist unter dem Titel "Rundfunkgebühren" - eingehoben werden. Außerdem wurde der Status und mögliche Finanzierungen von digitalem terrestrischen Rundfunk erhoben. Die Studie wurde von Dr. Rainer Schnepfleitner, Mitarbeiter in der betriebswirtschaftlichen Abteilung der RTR-GmbH, federführend betreut. In seiner Tätigkeit wurde er durch die Gebühren Informations Service GmbH (GIS), die Wirtschaftskammer Österreich, die Rundfunkunternehmen anderer Länder sowie durch Regulierungsbehörden unterstützt. Die Ergebnisse der "Gebühren-Studie" Nur zwei Drittel der Rundfunkgebühren dienen dem Rundfunk: In Österreich werden in höherem Ausmaß als in anderen europäischen Ländern unter dem Titel "Rundfunkgebühren" Gelder von den TV- und Radiokonsumenten eingehoben, die nicht unmittelbar mit der Veranstaltung von Rundfunk in Verbindung stehen. Zwei Drittel der Gebühreneinnahmen kommen als Programmentgelt dem Österreichischen Rundfunk zu Gute. Mit der Rundfunkgebühr wird als Teilbetrag auch die sogenannte "Radio- und Fernsehgebühr" eingehoben, welche vom Gesamtaufkommen in Höhe von rund 540 Mio. EUR/Jahr immerhin 45 Mio. EUR/Jahr oder rund 8 % ausmacht. Während im europäischen Durchschnitt 90 % der eingehobenen Gebührengelder der Rundfunkveranstaltung unmittelbar zufließen, sind es in Österreich nur 66 %. Auch in Dänemark (22 %) und in Island (21 %) werden relativ hohe Anteile der gesamten Gebühreneinnahmen nicht unmittelbar dem Rundfunk zugeführt. Finanzierung und Struktur der "Public Service Broadcaster" (PSBs) - der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten - sind im europäischen Raum durchaus unterschiedlich. In manchen Ländern sind Hörfunk- und TV-Veranstaltung in verschiedenen Gesellschaften getrennt, in einzelnen Ländern gibt es auch mehr als nur einen öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstalter. In einer kleinen Anzahl von Ländern erfolgt die Finanzierung der "Öffentlich-Rechtlichen" (neben Werbeeinnahmen, die den kleineren Teil ausmachen) über den Staatshaushalt (Spanien, Portugal, Luxemburg, Belgien, Niederlande). In den belgischen Regionen Brüssel und Flandern wurde das System erst kürzlich von Gebühren- auf Budgetfinanzierung umgestellt, in Portugal erfolgte eine solche Umstellung bereits 1990. In den meisten untersuchten Ländern ist eine Mischfinanzierung aus Gebühren- und Werbeeinnahmen festzustellen. Auch die Einhebung der Rundfunkgebühren gestaltet sich vollkommen unterschiedlich: In den meisten Ländern werden die Gebühren entweder von der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt selbst oder von einem ausgelagerten Tochterunternehmen eingehoben, in anderen Ländern auch über die Finanzämter (z.B. in Frankreich) oder die Stromrechnung. Öffentliche Sonderfinanzierungen der Rundfunkdigitalisierung: In Staaten, die wirtschaftlich wesentlich stärker sind als Österreich und die einen vergleichsweise besser entwickelten Wettbewerb und stärkere Marktteilnehmer auf dem Rundfunksektor haben, werden erhebliche Finanzmittel aus den öffentlichen Haushalten oder aus erhöhten Rundfunkgebühren für die Errichtung eines digitalen terrestrischen Rundfunknetzes aufgebracht, gewissermaßen als Startfinanzierung für die Etablierung der Kommunikationsinfrastruktur von morgen. In besonderer Form sei auf folgende Beispiele verwiesen: In Deutschland wurde im Rahmen der Bedarfsanmeldung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD, ZDF) für die Finanzierungsperiode 2001 bis 2004 eine Sonderfinanzierung zur Errichtung von DVB-T in Höhe von rund 95 Mio. EUR vorgesehen und genehmigt. In Frankreich sind Sondermittel in der Höhe von rund 150 Mio. EUR für DVB-T (France Télévision) vorgesehen. Die an die BBC zu entrichtenden Gebühren beinhalten seit mehreren Jahren einen Sonderaufschlag (1,5 %) für Zwecke der Digitalisierung. Digitale terrestrische Rundfunknetze (DVB-T) wurden bereits in Großbritannien, in Spanien sowie Schweden und Finnland etabliert. Der Europäische Rat hat in Sevilla den Aktionsplan eEurope 2005 verabschiedet, wonach alle Mitgliedsstaaten bis Ende 2003 einen verbindlichen Zeitplan für den Umstieg auf die digitale terrestrische Rundfunk-Übertragungstechnik und für den endgültigen "switch-off" der analogen Frequenzen vorzulegen haben. Daher bestehen in nahezu allen Staaten konkrete Planungen, DVB-T einzuführen. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass rund 50% aller europäischen Haushalte ausschließlich über die terrestrische Hausantenne Rundfunkprogramme empfangen. Dies zeigt, dass die terrestrische Rundfunkversorgung in Europa nach wie vor die primäre Form des Empfangs ist. In Österreich beziehen zwar nur 17% der TV-Haushalte ihre Programme, nämlich die des ORF, ausschließlich über Hausantenne, jedoch sind fast alle der durch Rundfunksatelliten versorgten Haushalte für den Empfang der ORF-Programme auf die Terrestrik angewiesen; gleiches gilt für die Versorgung der Zweit- und Drittgeräte. Vor diesem Hintergrund hat Staatssekretär Franz Morak die Einrichtung eines "Digitalisierungsfonds" (Vollversammlung der Digitalen Plattform Austria am 05. 07. 2002 im Siemens Forum) vorgeschlagen. Einen "Digital Switchover Fund" empfiehlt auch die kürzlich im Auftrag der EU-Kommission erstellte internationale Studie des französischen Consulters BIPE, die unter dem Titel "Digital Switchover in Broadcasting" veröffentlicht wurde. In den 20 "Key findings and recommendations" wird auch "policy intervention" als zulässig beurteilt, um einen rascheren Umstieg auf die Digitaltechnik zu ermöglichen. Neben der Einrichtung eines Digitalisierungsfonds wird weiters empfohlen, die technischen Umstiegskosten der TV-Teilnehmer durch steuerliche Maßnahmen zu reduzieren (reduzierte Rundfunkgebühr, geringere Mehrwertsteuer auf digitale Geräte wie Set Top Boxen bzw. für digital empfangene Programme). Unterschiedliche Finanzierungsmodelle für Rundfunkregulierung: Vergleichbare Regulierungseinrichtungen wie die RTR-GmbH bzw. die KommAustria werden in den meisten Ländern Europas über Rundfunkgebühren, den Staatshaushalt oder Mischformen finanziert: das Schweizer Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) etwa primär über den Staatshaushalt oder die deutschen Landesmedienanstalten über einen 2%igen Anteil an den Rundfunkgebühren. In der Schweiz und in Deutschland stehen den Regulierungseinrichtungen umfangreichere Ressourcen zur Verfügung. Damit können die Medienstandorte bzw. auch die privaten Rundfunkveranstalter entsprechende Förderung (Ausbildungsförderung, Förderung bestimmter Programme etc.) im Sinne des dualen Rundfunks erfahren. Conclusio für Österreichs Rundfunk-Zukunft Als Conclusio aus der vorliegenden Studie "The use of funds collected for Public Service Broadcasting" wirdzur Sicherung der Zukunftstauglichkeit der Kommunikationsinfrastruktur in unserem Land und damit zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Österreichischen Rundfunks und der Erhaltung einer insgesamt selbständigen und wirtschaftlich erfolgreichen Medienlandschaft in Österreich, im Interesse eines funktionierenden dualen Rundfunks mit neuen Anbietern am Markt sowie zur Förderung des Medienstandortes Österreich und damit indirekt zur Förderung vieler mit den Medien wirtschaftlich verbundenen Branchen wie Filmindustrie, Filmschaffende und Journalisten oder Werbewirtschaft der Vorschlag abgeleitet, die unter dem Titel "Radio- und TV-Gebühren" eingehobenen und dem Staatshaushalt zufließenden Gelder (rund 45 Millionen EUR pro Jahr) ausschließlich Zwecken des Rundfunks zuzuführen. Die Widmung dieser finanziellen Ressourcen wird für folgende Zwecke vorgeschlagen: Einrichtung eines "Digitalisierungsfonds", dessen Mittel nach klar definierten Kriterien von einer unabhängigen Experten-Kommission vergeben werden sollen (diese Zweckwidmung wird bis zum Jahr 2010 empfohlen). Zusätzliche Dotierung der Regulierungsbehörde KommAustria und der RTR-GmbH, um die Ziele des KommAustria-Gesetzes bestmöglich umsetzen zu können. Insbesondere ist an die Einrichtung eines Kompetenzzentrums, an die Stärkung des dualen Rundfunks und die umfassende Wahrnehmung der Aufgaben im Rahmen der Digitalen Plattform Austria gedacht. Förderung für innovative und speziell für Digital-TV bzw. interaktive Anwendungen erforderliche Programmentwicklungen aller Rundfunk-veranstalter, insbesondere des ORF.Das vorgeschlagene Modell - als Konsequenz aus der vorgelegten Studie - hat den besonderen Charme, dass die gesetzlich bereits fixierten und sehr anspruchsvollen Vorgaben (KommAustria-Gesetz, PrTV-G, ORF-G) unter verbesserten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch tatsächlich erfüllt werden können, ohne dass es im Wege einer allgemeinen Erhöhung der Rundfunkgebühren zu einer für die TV-Konsumenten unverständlichen Zusatzbelastung käme. DownloadsReport_Österreich_20020801 (PDF, 487.2kB)