Digitaler Hörfunk in Österreich: RTR-GmbH und KommAustria präsentieren Ergebnisse ihrer Bedarfserhebung Pressemitteilung vom 03.11.2009 Europaweit einheitliche Technologie und Vorgangsweise erforderlich – DAB/DAB+ wäre die aus heutiger Sicht beste Verbreitungstechnologie – RTR-GmbH und KommAustria gründen eine „IG Digitaler Hörfunk“ – Anpassung des gesetzlichen Rahmens erforderlich – Österreichs Hörfunkveranstalter: Ja zum Digitalen Hörfunk, aber bitte noch warten! – Auch Deutschland und Schweiz sehen Notwendigkeit von DAB/DAB+ Die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR-GmbH) hat gemeinsam mit der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) im Dezember 2008 ein Projekt zum Thema „Digitaler Hörfunk in Österreich“ ins Leben gerufen, in dem neben Vertretern von KommAustria und RTR-GmbH Vertreter des ORF, des Verbandes Österreichischer Privatsender (VÖP), des Verbandes Freier Radios Österreichs (VFRÖ), des Bundeskanzleramtes, des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie, des Fachverbandes der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen sowie Vertreter der ASFINAG, des Instituts für Rundfunktechnik (IRT) und des Verbandes der Automobilindustrie eingebunden waren. Zudem nahmen Vertreter der Landesmedienanstalt Saarland und des Bundesamtes für Kommunikation aus der Schweiz teil. „Ich freue mich, Ihnen heute die Eckpunkte unserer Empfehlung präsentieren zu können. Wir sind einhellig der Meinung, dass die Einführung des Digitalen Hörfunks in Zukunft stattfinden muss, um die Wettbewerbsfähigkeit des Radios in Österreich nachhaltig zu sichern“, gibt Dr. Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der RTR-GmbH, das Ende des Projektes bekannt. „Das Projekt verfolgte drei Zielsetzungen: den Bedarf hinsichtlich einer möglichen Einführung des Digitalen Hörfunks in Österreich zu erheben, eine von allen getragene Position für oder gegen eine Digitalisierung der Hörfunkverbreitung zu erarbeiten und gegebenenfalls ein Einführungsszenario mit einem konkreten Zeitplan und den wesentlichen Meilensteinen zu entwickeln“, so Grinschgl. Europaweit einheitliche Technologie und Vorgangsweise erforderlich! „Erste Schritte zur Realisierung von DAB bzw. DAB+, wobei wir diese Technologie als die derzeit beste Form betrachten, sind die Schaffung entsprechender gesetzlicher Rahmenbedingungen und die Etablierung einer ‚Interessengemeinschaft Digitaler Hörfunk’, die auf nationaler und internationaler Ebene für eine einheitliche Vorgangsweise und eine einheitliche Technologie eintritt. Dass wir derzeit in Österreich den Hörfunk noch nicht digitalisieren, liegt u.a. daran, dass es gerade in unserem Nachbarland Deutschland derzeit keinen einheitlichen Willen gibt, DAB bzw. DAB+ großflächig und daher erfolgreich zu launchen“, führt Grinschgl aus. „Warum Digitaler Hörfunk? – Digitaler Hörfunk erlaubt im Vergleich zur bisherigen, analogen Übertragungstechnik die Übertragung einer deutlich höheren Anzahl von Programmen und kann völlig neue oder deutlich verbesserte Zusatzinformationen (z.B. Verkehrsinformationen) sowie visuell nutzbare Inhalte transportieren“, erklärt Grinschgl die Vorteile dieser Übertragungstechnologie. Anpassung des gesetzlichen Rahmens erforderlich „Derzeit gibt es noch keine ausreichenden gesetzlichen Grundlagen für einen Regelbetrieb im Digitalen Hörfunk. Diese gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten erst durch Anpassung des Privatradio- und des ORF-Gesetzes geschaffen werden, wobei regelungstechnisch auf das System des Multiplexes – wie es aus dem Privatfernsehgesetz bekannt ist – zurückgegriffen werden kann. Jedoch gilt es auch, die Besonderheiten des Hörfunks zu berücksichtigen. Insbesondere müssen Fragen von kleinräumigen Versorgungsgebieten, Must-carry-Verpflichtungen und Meinungsvielfaltsaspekte bedacht werden“, erläutert Michael Ogris, Behördenleiter der KommAustria die gesetzlichen Voraussetzungen zur Einführung von Digitalem Hörfunk. „Seitens des Gesetzgebers müssten auch Möglichkeiten geschaffen werden, Dienste zu erlauben, die einen Mehrwert für den Konsumenten darstellen. Der Gesetzgeber wird auch über Ausmaß, Inhalt und Finanzierung zusätzlicher digitaler Hörfunkprogramme des ORF nachdenken müssen. Hinsichtlich privater Hörfunkveranstalter gilt es zu klären, wie viele zusätzliche Hörfunkprogramme unter dem Aspekt der Meinungsvielfalt dem einzelnen Rundfunkveranstalter erlaubt sein sollen“, führt Ogris weiter aus. DAB/DAB+ für großflächige Ausstrahlung „Hinsichtlich des einzuführenden, digitalen Übertragungsstandards konnte in der Arbeitsgemeinschaft Einigkeit darüber erzielt werden, dass DAB/DAB+ das bevorzugte System darstellt, insbesondere für eine bundesweite bzw. bundeslandweite Ausstrahlung von Hörfunkprogrammen“, gibt Franz Prull, stellvertretender Behördenleiter der KommAustria, Ergebnisse aus den Workshops bekannt. Da DAB/DAB+ jedoch für eine großflächige Ausstrahlung größerer Programm-/Sender-Pakete optimiert ist, ist dieser Standard für lokal ausgerichtete Hörfunkveranstaltungen mit deutlichen Nachteilen verbunden. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, kann für lokale Veranstalter die Verwendung des DRM+-Systems eine Lösung darstellen, wobei aber die Nutzung von Frequenzen im Band III erforderlich ist, da das ohnehin überlastete UKW-Band für eine Einführung von DRM+ nicht in Betracht kommt. Begleitet wurde das Projekt von Gerlinde Pammer, Geschäftsführerin der Impuls CONSULTING GROUP GmbH. „Da das ‚Gemeinsam-an-einem-Strang-ziehen’ und die inhaltliche Aufarbeitung des Themas eine wesentliche Voraussetzung für eine mögliche Einführung von Digitalradio in Österreich darstellte, galt es, ein Projektdesign zu entwerfen, das alle maßgeblichen Player und relevante Experten in das Projekt einband“, teilte Gerlinde Pammer zu ihrer Rolle in diesem Projekt mit. ORF begrüßt DAB/DAB+ als Garant für Programmvielfalt „Der ORF als Marktführer versteht sich als Innovationsführer, hat die Digitalisierung des Fernsehens vorangetrieben und Jahre vor unseren Nachbarländern das hochauflösende HD-TV eingeführt. Daher begrüßt der ORF auch eine Digitalisierung des Radios, weil es mehr Programmplätze erlauben wird, wie auch neue Spartenradios des ORF, beispielsweise das ‚Ö1-Inforadio’ oder ‚Ö3-Sport’. Die Einführung von DAB/DAB+ in Österreich wäre ohne neue zusätzliche Programmangebote des ORF zum Scheitern verurteilt“, meint Peter Moosmann, technischer Direktor des ORF. Aus Sicht des ORF ist die Zeit für die Einführung von Digitalradio aber noch nicht reif. Es gibt keine Anzeichen, dass in Deutschland flächendeckend DAB/DAB+ eingeführt wird. Einen Alleingang von Österreich kann der ORF gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise nicht befürworten. „Der ORF lehnt auch einen Abschaltzeitpunkt von UKW ab. In jedem österreichischen Haushalt stehen 4 bis 5 Radioapparate, die mit einem Schlag ersetzt werden müssten. Wir wollen die Hörer nicht zum Umschalten zwingen, sondern mit neuen attraktiven Radioformaten das Digitalradio schmackhaft machen“, so Moosmann weiter. Digitaler Hörfunk sichert Vielfalt und Chancengleichheit Der Vorsitzende des Verbandes Österreichischer Privatsender, Christian Stögmüller, hält grundsätzlich die Digitalisierung des Hörfunks für erforderlich, dies insbesondere aus Gründen der Chancengleichheit, der Vielfaltsüberlegungen und auch der Zukunftsorientierung des Hörfunkbereichs. Die Konsumenten sollten durch neue Programm- bzw. Zusatzangebote überzeugt werden, dass sie Vorteile durch einen Umstieg von der analogen auf die digitale Empfangstechnik erhalten würden. Dabei muss dem privaten Sektor unter Betrachtung der verfügbaren Kanäle auf den Multiplexern absolute Chancengleichheit zu den Programmen des ORF eingeräumt werden, bevor über zusätzliche Angebote des öffentlich-rechtlichen Sektors diskutiert wird. Ein erfolgreicher Start von Digitalem Hörfunk in Österreich kann überdies erst unter der kritischen Betrachtung einer europaweit einheitlichen technischen Regelung, nach Vorhandensein einer entsprechenden Anzahl an digitalen Endgeräten sowie nach einer Förderzusage aus dem Digitalisierungsfonds für den Start des digitalen Hörfunks erfolgen. VFRÖ: keine optimale Versorgung regionaler Räume durch DAB/DAB+ Der Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) steht einer Digitalisierung des Hörfunks vorerst skeptisch gegenüber, weil sich die Argumente einer potenziellen Verringerung der Verbreitungskosten und einer größeren Programmvielfalt nicht auf die Versorgung lokaler Räume umlegen lassen. DAB/DAB+ ist für großflächige Versorgungsräume konzipiert, für den lokalen Hörfunk sind alternative, angepasste Technologien wie DRM+ einzuplanen. Gesetzlich sicherzustellen wäre dabei, dass die Empfängerindustrie diese Technologie auch bedient. „Um dem Argument einer größeren Programmvielfalt gerecht zu werden, müssten mit der Einführung von DAB/DAB+ gemeinsame, überregionale ‚Open-access’-Programme Freier Radios Zugang zu nationalen und landesweiten Multiplexern bekommen. Dies wäre durch entsprechende gesetzliche Regelungen abzusichern – sei es durch Must-carry-Regelungen oder durch eine geeignete Gestaltung der Auswahlkriterien für die MUX-Belegungen“, fordert der Obmann des VFRÖ Helmut Peissl. Die bei einer Umstellung entstehenden höheren Verbreitungskosten müssen über entsprechende Förderungen kompensiert werden. Auch Deutschland und Schweiz sehen Notwendigkeit von DAB/DAB+ „Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass das Radio auch im digitalen Bereich einen eigenen Verbreitungsweg benötigt, um als Gattung in der multimedialen Welt bestehen zu können. Sieht man sich im europäischen Ausland um, ist zu sehen, dass Frankreich, Großbritannien, die Schweiz oder skandinavische Länder eindeutig auf DAB+/DMB setzen. Da werden weder Österreich noch Deutschland auf Dauer abseits stehen können“, meint Gerd Bauer von der Landesmedienanstalt Saarland. Marcel Regnotto vom Schweizer Bundesamt für Kommunikation ist überzeugt, dass sich auch vergleichsweise kleine Länder auf die Digitalisierung des Hörfunks vorbereiten müssen – auf regulatorischer Ebene habe die Schweiz ihre Hausaufgaben bereits gemacht. „Wir maßen uns nicht an zu wissen, welche Technologie für das Radio die beste ist und sich im Markt durchsetzen wird. Stattdessen verstehen wir uns eher als Förderer denn als Verhinderer innovativer Ansätze“, so Regnotto. Wagenhofer hält langen Simulcastbetrieb für erforderlich Bei der Einführung von DVB-T konnte die ORS weitreichende Erfahrungen bezüglich Projektmanagement, Planung (Senderbau und Versorgungs-planung), Marketing (Roll-out-Pläne, Roadshows, Helplines etc.) sowie Endgerätezertifizierung und -förderung sammeln, die die ORS auch für die Einführung eines zukünftigen digital-terrestrischen Radiosystems (unabhängig davon, ob die gewählte Technologie DAB+, DRM+ oder DVB-T2 heißt) prädestinieren. „Es gilt bei der Entwicklung einer Strategie zur Einführung von Digitalem Radio aber jedenfalls zu berücksichtigen, dass das analoge FM-System (das ja auch von der ORS im Auftrag ihrer Kunden weiterentwickelt wird – siehe TMC Plus) derzeit die Kundenbedürfnisse im Hinblick auf Indoor-Versorgung und mobilen Empfang optimal erfüllt. Daher wird bei der Einführung eines digitalen Übertragungsstandards ein Simulcastbetrieb über viele Jahre in einer Größenordnung von ungefähr 15 Jahren – da die Autoindustrie eine Zykluszeit von bis zu sechs Jahren hat – notwendig sein“, äußert sich Michael Wagenhofer, Geschäftsführer der ORS, zum zeitlichen Horizont der Einführung von Digitalem Hörfunk.